Troposphärenchemie
Die Forschungsarbeiten dieser Arbeitsgruppe konzentrieren sich auf die Untersuchung der Rolle und der Konzentrationsverteilung Freier Radikale in der Troposphäre. Hierzu wird die Differentielle Optische Absorptionsspektroskopie (DOAS) eingesetzt.
Freie Radikale sind Schlüsselsubstanzen in der Atmosphäre:
- Sie bewirken den Abbau der meisten Schadstoffe, die durch natürliche Prozesse oder durch den Menschen in die Atmosphäre gelangen ("Selbstreinigung")
- Freie Radikale steuern die meisten chemischen Prozesse, z.B. die Ozonbildung in der Troposphäre.
- Freie Radikale können "Kettenreaktionen" hervorrufen.
Was sind eigentlich freie Radikale?
Traditionell gibt es hierzu zwei Definitionen:
- Radikale sind Atomgruppen, die ein oder mehrere ungepaarte Elektronen enthalten . >Diese Definition hat einen klaren physikalischen Inhalt, allerdings schließt sie auch Moleküle ein, die wir als nicht sonderlich reaktiv ansehen, wie etwa O2, NO oder NO2.
- Radikale sind (kurzlebige) Atomgruppen, welche die Rolle von Elementen spielen und sich wie diese mit Elementen und untereinander vereinigen können. Diese Definition, die auf Justus von Liebig zurückgeht, ist in ihrem physikalischen Gehalt nicht so scharf zu fassen, entspricht aber mehr dem "landläufigen" Gebrauch des Radikalbegriffes.
Zu dieser Stoffgruppe gehören u.a. die Radikale OH, HO2, sowie die "stabilen" Moleküle H2O2 (Wasserstoffperoxyd) und CH3OOH (Methylhydroperoxid). Die genannten Moleküle sind die wichtigsten Komponente (zusammen mit Ozon, NO3 - Radikalen und Halogenradikalen), die die "Oxidationskapazität" der Atmosphäre bestimmen. Die Rolle freier Radikale in der Atmosphäre wird sehr stark von der Photochemie bestimmt.
In der Atmosphäre gibt es eine Vielzahl Freier Radikale, die wichtigsten sind:
- Das Hydroxylradikal OH
- Das Hydro-Peroxy Radikal HO2
- Organische Peroxy Radikale, wie CH3O2, ....
- Das Nitratradikal NO3
- Halogen- und Halogenoxid Radikale (Cl, Br, I, ClO, BrO, IO, OIO, ...)
OH– und Peroxy–Radikale in der Troposphäre
Die Hydroxylradikale sind das wichtigste freie Radikal in der Atmosphäre, sie entstehen photochemisch aus Ozon. Der Abbau der meisten (aber nicht aller) oxidierbaren Spurenstoffe in der Atmosphäre wird durch Reaktion mit OH - Radikalen eingeleitet (vergl. [Platt 1999, Platt et al. 2003]). Die OH - Radikale werden daher auch gelegentlich als das "Waschmittel" der Atmosphäre bezeichnet. Folgeprodukte der Reaktion von OH Radikalen mit Kohlenmonoxid oder Kohlenwasserstoffen sind Hydro-Peroxy Radikale oder organische Peroxy Radikale. Diese Reaktionszyklen produzieren als "Nebenprodukt" Ozon in der Troposphäre.
O3– Radikale in der Troposphäre
Nitratradikale entstehen durch Oxidation von Stickstoffdioxid, auch ohne Sonneneinstrahlung. NO3–Radikale spielen eine wichtige Rolle bei der Reinigung der Atmosphäre in der lichtarmen Jahreszeit und in der Umwandlung von Stickoxiden in Salpetersäure.
Halogen- Radikale in der Troposphäre
Anorganische Halogenverbindungen und Halogenatome sind aus mehreren Gründen interessant. Erstens sind Halogenatome und Halogenoxidradikale starke Oxidationsmittel, die wesentlich zur "Oxidationskapazität" der Atmosphäre beitragen können. Zum Beispiel reagieren Chloratome mit Kohlenwasserstoffen etwa 10 mal so schnell wie OH-Radikale. Andererseits können Halogenoxide, wie erst kürzlich nachgewiesen wurde, in der Troposphäre Ozon abbauen und damit die Oxidationskapazität stark vermindern.
Auch können Bromoxid-Radikale (BrO) eine Rolle beim Abbau von organischen Verbindungen, insbesondere von DMS, spielen. Zudem spielen Halogenoxidradikale, insbesondere BrO, eine Schlüsselrolle im Abbau von bodennahem Ozon in Polgebieten [Hausmann und Platt 1994, Platt und Lehrer 1995, Barrie und Platt 1998] – dem Polaren Troposphärischen Ozonloch.
Ein weiteres interessantes Thema ist die autokatalytische Freisetzung von reaktiven Bromverbindungen (BrO, Br) aus Seesalz-Bromid, die sogenannte "Bromexplosion".