MiRadOr – Mikrowellenradiometer zur Erfassung und Bewertung von Offshore-Windressourcen

Angesichts des sich verschärfenden Klimawandels haben die europäischen Regierungen in den letzten Jahren ihre Bemühungen zur Beschleunigung der Dekarbonisierung der Stromerzeugung verstärkt. Ein wesentlicher Bestandteil zur Erreichung dieser ehrgeizigen Dekarbonisierungsziele ist der Einsatz immer größerer Windkraftanlagen, insbesondere in Offshore-Windparks.
Um die Wirksamkeit dieser Projekte zu maximieren und die Energiewende zu beschleunigen, sind Forschungsarbeiten zu kostenoptimierten Windparklayouts, verbesserten Prognosen des Windpotenzials und der Windenergieausbeute sowie optimierten Betriebsstrategien erforderlich.
Was ist MiRadOr?
Das Projekt „Microwave Radiometer for the Detection and Assessment of Offshore Wind Resources” (MiRadOr) untersucht, wie Mikrowellenradiometer (MWR) Technologien die Bewertung von Offshore-Windressourcen verbessern und Modelle für Windenergieanwendungen optimieren können.
Das MiRadOr-Projekt kombiniert die Analyse bestehender Datensätze mit neuen Daten aus einer einjährigen Messkampagne unter maritimen atmosphärischen Bedingungen in Norddeutschland und baut dabei auf den Erfolgen des Projekts „Offshore Wind Accelerator Radiometry and Atmospheric Profiling Scoping Study” (OWA RAP) von The Carbon Trust auf, das die grundlegende wissenschaftliche Arbeit von Cimini et al. (2025) finanziert hat.
Das Projekt wird atmosphärische Profile auswerten, die mit Mikrowellenradiometern gewonnen wurden, und sie mit traditionellen Radiosondenmessungen sowie Daten aus numerischen Wettervorhersagemodellen (NWP) und Klimasimulationen vergleichen. Ziel ist es, die Genauigkeit und Anwendbarkeit jeder Methode im Zusammenhang mit der Bewertung und Vorhersage von Windenergiestandorten zu bewerten.
Die Atmosphäre verstehen: Stabilität und Winde in der Grenzschicht
Die Dynamik in den untersten 300 Metern der Atmosphäre ist für Windenergieanwendungen von besonderem Interesse. Innerhalb dieser Schicht beeinflussen meteorologische Bedingungen direkt die Leistung und Energieausbeute von Windkraftanlagen.
Atmosphärische Stabilität
Die atmosphärische Stabilität hat einen erheblichen Einfluss auf die Leistung von Windkraftanlagen, wobei wichtige Einflussfaktoren unter anderem die vertikalen Profile der Lufttemperatur und daraus abgeleitete Stabilitätskennzahlen sind.
Windkraftanlagen erzielen in der Regel unter instabilen oder neutralen Bedingungen eine bessere Leistung. Die Stabilität wird üblicherweise anhand der Auftriebskraft bewertet, die die vertikale Beschleunigung eines Luftpakets beschreibt.
Ein gängiger Indikator ist der Gradient der potenziellen Temperatur, der als die Temperatur definiert ist, die ein Luftpaket hätte, wenn es adiabatisch auf einen Referenzdruck gebracht würde. Ein negativer Wert des Gradienten weist auf instabile Bedingungen hin, während ein positiver Wert auf stabile Bedingungen hinweist.
Temperaturprofile können mit MWR oder Radiosonden gemessen werden. MiRadOr konzentriert sich auf die Bewertung der Qualität und Zuverlässigkeit dieser Messungen und ihres potenziellen Beitrags zur Entwicklung von Windparks und zur atmosphärischen Modellierung.
Windgeschwindigkeitsprofil
Aufgrund der Oberflächenreibung sind die Windgeschwindigkeiten in Bodennähe in der Regel geringer und nehmen mit zunehmender Höhe stetig zu. Das tatsächliche Windprofil kann jedoch komplex sein und wird von Wetterphänomenen wie Hoch- und Tiefdrucksystemen in den mittleren Breiten sowie der Stabilität in Bodennähe beeinflusst, die zur Bildung von Low-Level-Jets (LLJs) führen kann.
Selbst die Anwesenheit der Windkraftanlagen selbst kann das Windprofil verändern, indem sie Nachläufe und sogenannte Blockierungseffekte erzeugen, die beide den Windenergieertrag beeinflussen können. Daher ist die genaue Messung von Windgeschwindigkeitsprofilen mit Hilfe von Techniken wie Radiosonden und deren Vorhersage durch Modellierung für Windenergieanwendungen von großer Bedeutung.
LLJs sind schmale, sich schnell bewegende Luftströme, die in den untersten paar 100 Metern der Troposphäre auftreten und sich typischerweise nachts bei klarem Himmel bilden, wenn die Strahlungskühlung in Bodennähe zu einer Temperaturinversion führt. Sowohl LLJs (Weide Luiz und Fiedler, 2022) als auch Wetterphänomene (Ho-Tran und Fiedler, 2023) beeinflussen die Windenergieproduktion.
Während unserer MiRadOr-Kampagne wollen wir LLJs und Stürme in den mittleren Breiten messen und analysieren, um unser Verständnis ihrer Dynamik und ihrer Auswirkungen auf die Entwicklung der Windenergie zu vertiefen.
Messmethoden: Erfassung des vertikalen Profils
Um die atmosphärischen Bedingungen, die die Windenergieproduktion beeinflussen, besser zu verstehen und die Modellierungsdaten zu verbessern, nutzt das MiRadOr-Projekt eine Reihe sich ergänzender Messtechniken. Jede davon bietet einen einzigartigen Einblick in die vertikale Struktur der Atmosphäre – von der Oberfläche bis zu einer Höhe von mehreren Kilometern.
Mikrowellenradiometer (MWR)
Die Mikrowellenradiometrie ist eine passive Fernerkundungstechnik, die die natürlich emittierte thermische Mikrowellenstrahlung von atmosphärischen Gasen, vor allem Sauerstoff und Wasserdampf, misst. Da die Sauerstoffkonzentration in der Atmosphäre nahezu konstant ist, hängt die emittierte Strahlung in erster Linie von der Temperatur ab. Bei Frequenzen mit starken Sauerstoffemissionen (z. B. 50–70 GHz) korreliert die beobachtete Strahlung stark mit der atmosphärischen Temperatur. Durch die Beobachtung mehrerer Frequenzen in diesem Bereich, die undurchsichtiger (in der Mitte des Absorptionsbandes) oder weniger undurchsichtig (außerhalb der Mitte) sind, kann das vertikale Temperaturprofil abgeschätzt werden. Darüber hinaus erhöht die Auflösung der Abhängigkeit von Beobachtungen bei mehreren unterschiedlichen Elevationswinkeln (von senkrecht bis zum Horizont) ebenfalls die Genauigkeit und Auflösung des Temperaturprofils. In ähnlicher Weise liefern Beobachtungen bei 22–32 GHz Informationen über die Luftfeuchtigkeit.
MWRs arbeiten unter fast allen Wetterbedingungen kontinuierlich und sind daher besonders wertvoll in Offshore- und abgelegenen Umgebungen, in denen häufige Radiosondenstarts nicht praktikabel sind. Trotz ihrer im Vergleich zu anderen Methoden gröberen vertikalen Auflösung liefern MWRs nahezu in Echtzeit kontinuierliche Daten, die beispielsweise zur Erkennung von Veränderungen der atmosphärischen Stabilität verwendet werden können.

Wind-LiDAR (Light Detection and Ranging)
Wind-LiDARs senden kurze Laserlichtimpulse in die Atmosphäre und messen die Verschiebung des zurückgestreuten Signals gemäß dem Doppler-Effekt, das von Aerosolpartikeln stammt. Daraus lassen sich Windgeschwindigkeit und -richtung in mehreren Höhen bis zu einigen hundert Metern ermitteln.
LiDAR-Systeme können beispielsweise Windscherungen, Turbulenzintensitäten und Low-Level-Jets charakterisieren – wichtige Faktoren für die Belastung von Turbinen und das Nachlaufverhalten. In Kombination mit MWRs ermöglichen sie die Charakterisierung sowohl des Windes als auch der Stabilität in der unteren Atmosphäre.

Radiosonden
Radiosonden sind kompakte Wettersensorpakete, die mit Heliumballons in die Atmosphäre aufsteigen und dabei typischerweise Höhen von 10 bis 30 km erreichen. Während ihres Aufstiegs übertragen sie hochwertige In-situ-Messungen von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Druck sowie Windgeschwindigkeit und -richtung, die aus GPS-Ortungsdaten abgeleitet werden. Obwohl Radiosonden hochwertige In-situ-Daten liefern, liefert jeder Start nur eine Momentaufnahme und keine zeitlich kontinuierliche Erfassung wie bei Instrumenten wie MWRs.
MiRadOr wird während einer intensiven Beobachtungsphase Radiosonden einsetzen, um Fernerkundungsdaten von MWR und LiDAR zu validieren, die als Referenzwert für die Bewertung von Modellen dienen.
Wichtige Projekttermine
Projektstart: April 2025
Intensive Beobachtungsphase: September 2025
Projektdauer: 2 Jahre
Konsortium
Universität Heidelberg (federführender Partner), Fraunhofer IWES, RPG Radiometer Physics, The Carbon Trust (gegründet im Rahmen des Offshore Wind Accelerator)
Dieses Projekt wird von der deutschen Bundesregierung über das „Deutsche Energieforschungsprogramm” durch den Projektträger Jülich (PtJ) öffentlich gefördert.

Industriepartner
EnBW, RWE, TotalEnergies, Vattenfall
Projektbüro
MiRadOr-Projektbüro
Institut für Umweltphysik
Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 229
D-69120 Heidelberg
Kontakt
Dr. Justin Shenolikar
MiRadOr-Projektkoordinator
justin.shenolikar@iup.uni-heidelberg.de
+ 49 6221 54-6308

